Wenn das Arbeitsleben beendet ist, beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Die klare Struktur, die ein Arbeitstag mit sich bringt, fällt weg. Neue Abläufe und Routinen werden gebraucht, um die freigewordene Zeit zu nutzen. Auch Menschen mit Behinderung, die in den Werkstätten arbeiten, gehen in Rente. In diesem Artikel berichten wir Ihnen, welche Möglichkeiten sie in unseren Einrichtungen haben, diesen Lebensabschnitt angenehm zu gestalten.
Die Räume sind großzügig und hell, durch große Türen ist die Terrasse erreichbar. Es gibt gemütliche Sofas und Sessel, verschiedene Tischgruppen, Regale mit Spielen und Beschäftigungsmaterialien sowie eine Küchenzeile. Im Raum verteilt gehen einige Seniorinnen und Senioren einer Beschäftigung nach. Es wird gepuzzelt, Perlen zu einer Schmuckkette aufgefädelt oder in Katalogen geblättert. In einem Nebenraum findet eine Klangmassage statt. So präsentiert sich mir die Seniorenbetreuung im Eugen-Fitz-Haus in Weilimdorf an einem Vormittag.
Die Stimmung ist entspannt und Saskia Bodri, Teamkoordinatorin der Seniorenbetreuung
in den Wohnstätten, und ihre Kollegin Petra König erzählen vom Leben in der Seniorengruppe. Die Seniorinnen und Senioren sollen soviel Spaß wie möglich haben, da sind sich beide einig. Schließlich seien diese Menschen im letzten Drittel ihres Lebens angelangt. Das Credo der Seniorenbetreuung ist deshalb die Freiwilligkeit. Niemand muss das Angebot der Seniorengruppen wahrnehmen. Wer lieber zu Hause in seinem Zimmer bleiben oder eigenständig etwas unternehmen möchte, darf auch das.
„Die Rente ist ein neuer Lebensabschnitt und wir möchten, dass die Leute ihn aktiv und bewusst gestalten und erleben können“
Saskia Bodri, Teamkoordinatorin
Auch wie lange oder intensiv jemand an den Angeboten teilnimmt, bleibt ihr oder ihm
überlassen. Manche kommen schon morgens um 8:30 Uhr, wenn die Gruppe öffnet, andere erst zum Mittagessen. Einige sind nur ein oder zwei Stunden da, andere den ganzen Tag.
Man kann jeden Tag kommen oder auch nur einige Tage in der Woche. Alles richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen.
Und diese sind gar nicht so einfach herauszufinden. Die meisten sind es gewohnt, dass ihr ganzes Leben lang jemand über sie bestimmt hat. Eigene Bedürfnisse und Wünsche wahrzunehmen, muss gelernt werden. Selbst zu entscheiden, was man machen möchte, ist ein großer Entwicklungsschritt, den man auch im Alter noch gehen kann. Wer nie gefragt wurde, tut sich schwer, Wünsche zu äußern. Am besten hilft es, die Dinge kennenzulernen und auszuprobieren.
Das Angebot ist deshalb breit gefächert:
• Entspannungsangebote wie Klangmassagen, Fantasiereisen oder Snoezelen
• Bewegungsangebote wie Sitzgymnastik und Spaziergänge
• Hörbücher anhören
• Bücher und Kataloge anschauen
• kochen und backen
• Filme anschauen
• Musik hören und singen
• basteln und dekorieren
• Etwas lernen, zum Beispiel Nachrichten in leichter Sprache hören
Natürlich gehören auch Ausflüge und Unternehmungen dazu, was nur mit zusätzlichen
Begleitpersonen geht. Letztes Jahr haben Mitarbeitende der Firma Trelleborg Sealing
Solutions im Rahmen eines Social Days einen Ausflug der Seniorengruppe Zuffenhausen
begleitet. Alle waren begeistert und wir freuen uns sehr, dass diese tolle Aktion in
diesem Jahr wiederholt werden kann.
Auch andere Ehrenamtliche helfen regelmäßig in den Seniorengruppen mit und machen Angebote, wie zum Beispiel mit einer Person spazieren gehen. Ohne diese Unterstützung wäre das viel seltener möglich.
Die Seniorengruppen befinden sich in mehreren unserer Häuser, im Eugen-Fitz-Haus in Weilimdorf, der Wohnanlage Zuffenhausen und der Wohnanlage am Probstsee. Wohnkundinnen und Wohnkunden aus den kleineren Häusern der Lebenshilfe Stuttgart können diese besuchen, wenn sie möchten. Sie suchen sich aus, welche Gruppe am besten zu ihnen passt.
In welchem Alter die Mitarbeitenden in Rente gehen, ist individuell. Manche arbeiten über den offiziellen Renteneintritt hinaus und haben auch in den Werkstätten die Möglichkeit, reduziert tätig zu sein. Die meisten hören jedoch schon früher auf, weil die Kräfte nachlassen, auch behinderungsbedingt, und der Werkstattbesuch zu anstrengend wird.
Um gut auf die Rente vorbereitet zu sein, bieten die Werkstätten alle zwei Jahre ein Ruhestandvorbereitungsprogramm an. Dieses findet in Kooperation mit dem Treffpunkt 50plus und anderen Leistungserbringern statt. Über einen längeren Zeitraum machen sich die Teilnehmenden mit dem Gedanken vertraut, dass die Zeit der Arbeit in den Werkstätten ein Ende hat. Gemeinsam erarbeiten sie Ideen, wie das Leben in der Rente gestaltet werden kann.
Welche Wünsche und Ideen haben sie und wie können diese umgesetzt werden? Welche konkreten Schritte der Vorbereitung braucht es? So werden die Teilnehmenden langsam Schritt für Schritt an diesen Lebensabschnitt herangeführt. Der Übergang wird behutsam gestaltet, so dass er positiv wahrgenommen wird und sich alle auf diesen Abschnitt freuen können.
Aktuell gibt es in den Einrichtungen der Lebenshilfe rund 60 Personen im Alter von 58 bis 75 Jahren, die in irgendeiner Form am Seniorenprogramm teilnehmen. Sei es, dass sie reduziert in der Werkstatt tätig sind, eine Seniorengruppe besuchen oder ihren Tag selbständig gestalten.