Das Quereinsteiger-Programm ist für Menschen mit Behinderungen, die das Potential haben, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten. Die Teilnehmenden haben dort bereits Arbeitserfahrung gesammelt, eine berufsvorbereitende Maßnahme besucht oder eine Fachpraktikerausbildung absolviert. Umstrukturierungen in der Firma, persönlicher Umzug oder nicht passende Rahmenbedingungen erfordern eine Neuorientierung für die Betroffenen. Mit dem Quereinsteiger-Programm bekommen diese Personen eine intensive und individuelle Begleitung, damit sie wieder Fuß fassen können. „Hürden intensiv bearbeiten, sensibel begleiten und doch fordern“ ist das Motto dabei.
Christina Ulmer, eine Absolventin des Programms hat uns erzählt, wie das in ihrem Fall konkret aussah. Sie kam vor anderthalb Jahren zu unserem Quereinsteiger-Programm. Davor nahm sie am Berufsbildungsbereich (BBB) eines anderen Trägers teil. Der Schwerpunkt ihrer Ausbildung dort war der Gemüseanbau. Sie hatte einen langen Arbeitsweg, den sie als sehr stressig empfand, hinzu kam eine Kontaktallergie gegen Bestandteile der Arbeitshandschuhe. Das führte zu immer höheren Fehlzeiten.
Irgendwann erinnerte sie sich an ein Praktikum in der Werkstatt in Vaihingen, die sehr viel näher zu ihrem Wohnort liegt. Also fragte sie hier an. „Es gab ein Gespräch mit dem Fachdienst Teilhabe, ich wurde durch die Werkstatt geführt und konnte mir alle Bereiche ansehen. Am besten gefielen mir die Schreinerei und die GaLa-Gruppe“, berichtet Ulmer.
Es wurde die Schreinerei, in die sie „schnell integriert“ wurde, erzählt sie weiter. „Mein Problem waren immer die Fehlzeiten, auch in der Schule schon“, fügt sie selbstkritisch an. Dahinter stehen Ängste, nicht mehr akzeptiert zu werden, wenn etwas mal nicht so läuft. Doch hier erlebte sie, „dass die Leute auf mich eingehen“. Sie machte die Erfahrung, „dass es ok ist, wenn ich nicht alles schaffe.“
Beim Quereinsteiger-Programm steht Christina eine Bildungsbegleiterin zur Seite. In Einzel- und Gruppengesprächen werden Hemmnisse benannt und Stärken und Ressourcen herausgearbeitet, mit denen sie überwunden werden können. Immer mit der Fragestellung, wie groß der nächste Schritt sein darf und was gebraucht wird, um ihn gehen zu können. Christina Ulmer bekam ein Heft, in das sie immer aufschreibt, wie es ihr gerade geht und in welchen Situationen Schwierigkeiten auftauchten. Gemeinsam mit der Bildungsbegleiterin fand sie Lösungen, wie diese zum Beispiel: Um belastenden Lärm zu reduzieren, setzte sie Kopfhörer auf, wenn es ihr zu turbulent in der Gruppe wurde.
Die Bildungsbegleiterin machte ihr immer wieder Angebote, Neues auszuprobieren. Christina Ulmer erlebte dies als Zutrauen in ihre Fähigkeiten. Dabei war ihr sehr wichtig, sich ohne Erwartungsdruck ausprobieren zu können. Je mehr sie sich stabilisierte, desto mehr traute sie sich zu. Unterstützt wurde dieser Prozess durch die therapeutische Maßnahme „Neurofeedback.“ Dieses Angebot konnte sie vor Ort in der Werkstatt wahrnehmen. Mit dieser Methode des Gehirntrainings lernte sie zweimal die Woche, sich selbst besser regulieren zu können.
Nach etwa einem Jahr wechselte sie in die Logistik, das Arbeiten im ruhigen Lager, wo sie Ware versandfertig macht, kam ihr sehr entgegen. Auch in dieser Gruppe fühlte sie sich angenommen und akzeptiert.
Sie wurde gefragt, ob sie nicht für den Beirat Inklusion der Stadt Stuttgart kandidieren möchte. Sie tat es und ist seit Herbst 2022 gewähltes Mitglied dieses Gremiums. „Das ist mega interessant und richtig cool! Wir werden ernst genommen“, findet sie. Ein weiterer Meilenstein in ihrer Entwicklung.
Christina Ulmer wagte einen weiteren Schritt: Aus der Werkstatt hinaus auf einen betriebsintegrierten Arbeitsplatz (BIAP). Im Regierungspräsidium verstärkt sie das Team des Gebäudemanagements. Ihre Aufgaben sind zum Beispiel die Bearbeitung der Fahrtenbücher der Dienstautos am PC.
„Das ist ein riesiger Unterschied, da gibt es einen Arbeitsauftrag und der wird fokussiert abgearbeitet“. Für sie, die gerne Ordnung und Struktur hat, der optimale Arbeitsplatz. Unterstützt wird sie auf ihrem BIAP von den Jobcoaches der Werkstatt. Diese hatten zunächst ein Praktikum organisiert, bei der Einarbeitung geholfen und begleiten sie auch weiterhin. Sie startete mit drei Tagen in der Woche und weitet das Pensum sukzessive aus.
Wir danken Christina Ulmer für das Gespräch und wünschen Ihr weiterhin viel Erfolg!